KLEIDER DES GRAUENS

Von Olivia Steinweg

Was wir so sehr lieben und Männer zum Weglaufen finden. Wir haben uns Mützen mit Tierohren angezogen, die wir später durch pinke Ohrwärmer ersetzt haben. Wir haben chlorgebleichte Jeans geliebt und unter Kleidern Leggins getragen. Shorts die so kurz waren, dass die Pobacken zur Hälfte zu sehen waren und T-Shirts mit „Oberzicke“-Aufdruck fanden wir stylish. Modesünden aus den vergangenen Jahren hat fast jeder zu beichten. Auch mir ist meine Modevergangenheit manchmal ziemlich peinlich. Mittlerweile bilde ich mir jedoch ein, ein gutes Gespür für Kleider zu haben. Bis ich letztens meine Kleidung für den Umzug in Kartons packte. Da hörte ich meinen Freund sagen: „Was hältst du davon, die Gelegenheit zu nutzen, um richtig auszumisten? Den Pullover hier zum Beispiel, den brauchst du doch nicht mehr oder? Den hast du in der Schwangerschaft getragen und die ist bereits zwei Jahre her“.

O.k., ich gebe gerne zu, dass er sehr groß ist, um nicht zu sagen, dass er übergroß ist. Und ja, ich habe ihn zu einem Zeitpunkt gekauft als ich meine Zehen vor lauter Bauch kaum noch sehen konnte und mir nur noch Pullover in XXL aus der Herrenabteilung passten. Modisch gesehen, lassen sich schon allerlei Zweifel an einem Schlabberpullover anbringen, aber irgendwie hat man als Frau auch nicht immer Lust auf figurbetonte Kleidung. Manchmal ist es einfach nur schön, wenn es gemütlich ist. Letztens hatte ich von einer Shoppingtour eine ausgehtaugliche Jogginghose und ein paar stylische Turnschuhe in Neon-Lila mitgebracht. Mein Freund war entsetzt: „Du siehst aus als würdest du auf eine Bad-Taste-Party gehen!“.

Warum lieben wir Frauen eigentlich bestimmte Kleider und Accessoires, die unsere Männer zum Weglaufen finden? Haben wir aus der Vergangenheit nicht gelernt? Sind wir heute zwar ein deutliches Stück älter, aber keinen Deut weiser? Oder haben Männer keine Ahnung von Trends? Keine Frage, Mode ist Geschmackssache. Und über Geschmack lässt sich vortrefflich streiten. Doch warum ist die Kluft zwischen dem, was wir lieben und dem, worin Männer uns Frauen sehen wollen, so groß? Ich war neugierig, was meine Freundinnen dazu sagen und habe sie gefragt.

Helen fällt nicht allein durch ihr tolles Aussehen auf. Sie ist eine Frau mit Stil und hat ein perfektes Gespür für Trends. Und dennoch gibt es eine Reihe an Trendteilen, die ihr Freund Klaus an ihr nicht mag. „Meine Boyfriend-Jeans zum Beispiel. Richtig kombiniert kann der Boyfriend-Look jedoch sehr sexy aussehen. Wenn man zum Beispiel die Hosenbeine etwas hochkrempelt, kann man die schlanken Fesseln einer Frau sehen. Und mit High Heels getragen, sieht der Look sexy und lässig zugleich aus. Und dass der Po in diesen Jeans nicht sehr deutlich zu sehen ist, finde ich nicht schlecht. Wir müssen doch nicht gleich all unsere Reize zeigen! Das kann auch sehr sexy sein. Dennoch lautet sein Kommentar dazu: „Sieht aus, als hättest Du eine Windel drunter an“. Zu meinen Ballerinas sagt er, sie seien unsexy und machen kurze Beine. Da zählt auch mein Bequemlichkeitsargument nicht. Womit er auch ein großes Problem hat sind meine Ohrringe. Die findet er im wahrsten Sinne des Wortes „grausam“. Er mag es einfach nicht, wenn etwas durch die Haut gestochen wird. Ich denke, wir Frauen beschäftigen uns viel mehr mit dem Thema Mode als Männer. Deshalb sind wir auch mutiger und probieren viele Looks aus, statt immer nur das gleiche zu tragen.“

Christina. Ich kenne kaum andere junge Mütter, die zu jeder Tages- und Nachtzeit so fantastisch aussehen und perfekt gestylt sind wie sie. Ihr Freund ist jedoch mit einigen ihrer Einkäufe nicht einverstanden. „Ich finde meine luftige, locker fallende Sommerhose mit Blümchenmuster großartig! Max eigentlich nur furchtbar. Begründung: Sieht am Hintern schrecklich aus, da man eben keinen mehr sieht. Und Blümchenmuster findet er zu kleinmädchenhaft. Meine Statementketten die ich so mag, weil sie jedes Outfits aufpeppen, mag er auch nicht. Zuviel Bling Bling. Und die Minnetonkas – die zurzeit übrigens der letzte Schrei in Hollywood sind – jagen ihn in die Flucht. Warum, konnte er gar nicht wirklich sagen.“ Christina erklärt sich den Grund so: „Frauen kleiden sich gerne – mal stylish, klassisch oder extravagant, dann wieder bequem oder sportiv. Sich mit Kleidung zu schmücken und in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen gefällt uns. Männer wählen ihre Kleidung eher nach pragmatischen Kriterien aus. Klar kann man nicht alle Männer über einen Kamm scheren. Dennoch sind die Angebote für Frauen immer noch enorm viel umfangreicher. Und das hat sicher auch seine Gründe.“

Cécile ist Französin und ihr modischer Chic ist unübertroffen feminin und individuell und folgt keinem Modediktat. Übrigens auch dem ihres Freundes nicht. „Ich liebe mein rotes Kleid aus den 50er Jahren! Ihm ist es zu auffällig, denn er mag es nicht, wenn man mir hinterher schaut. Ich genieße es, er nicht! Meine Ballerinas – ALLE meine Ballerinas – gefallen ihm überhaupt nicht, weil sie eine hässliche Silhouette machen. Und in meinem Retro-Badeanzug findet er mich einfach nur trutschig wie eine Oma.“. Cécile erklärt sich den Grund, warum ihr Freund so reagiert folgendermaßen: „Männer sehen Frauen gerne sexy gekleidet. Wenn es jedoch um die eigene geht, soll es viel dezenter sein. Zwar immer noch feminin, aber nicht zu aufreizend. Immerhin dulden sie keine anderen Männer in ihrem „Revier“. Mein Freund hat auch keinen Sinn für Vintage-Mode. Den modischen Aspekt sieht er darin nicht. Ihm kommt es vor, als wenn ich die Sachen anderer auftrage.“

Yvonne und Oliver sind seit einem Jahr ein Paar und die rosarote Brille ist ihnen regelrecht angeklebt. Als ich Yvonne letztens zum Thema befragte, musste sie lange überlegen. Mit dem Ergebnis, dass ihr nichts einfiel. „O.k., dann frag Oliver heute Abend und sag mir morgen Bescheid!“. Am nächsten Morgen kam die ernüchternde Antwort: „Oliver mag alles an mir.“. Ich habe im Internet gleich recherchiert, wie lange eine rosarote Brille den Blick verschleiert, bis man dann endlich wieder realistisch und klar sieht. Das Ergebnis: Verliebtheit hält etwa drei Monate an, dann wird sie weniger und dann wird auch wieder der Blick für die Realität geschärft. Drei Monate sind bei Yvonne und Oliver schon längst vorbei. Auf deren Brillen steht anscheinend kein Ablaufdatum. Sie hat mir trotzdem eine kleine Zusammenstellung aus ihrem Kleiderschrank erstellt. Aber Achtung! Benutzung auf eigene Gefahr! Bei euren Männern kann das wieder ganz anders aussehen.

Und als ich zuletzt noch meine männlichen Freunde zu dem Thema befragte, musste ich feststellen, dass die Meinungen dennoch sehr nah beieinander liegen. Die Liste der Dinge die sie als „Kleider des Grauens“ bezeichnen und ohne die wir Frauen nicht leben wollen, ist lang. An oberster Stelle stehen Ballerinas, dicht gefolgt von Boyfriend-Jeans, High-Waist-Hosen und Leggins. Und Schlabberlook geht schon mal gar nicht!

„Dabei ist es doch gar nicht so schwer uns zu gefallen“, sagt einer meiner Freunde. „Nicht zuviel Schickschnack, nicht zu aufdringlich und dennoch mit einem Schuss Sexyness. Eine schmal geschnittene Jeans und ein körperbetontes weißes T-Shirt, vielleicht auch ein Paar schlichte Pumps, reichen vollkommen aus, um uns glücklich zu machen.“. Bevor wir ausgehen frage ich manchmal meinen Freund, was ich heute Abend anziehen soll. Er: „Warum fragst du mich eigentlich, wenn du am Schluss dann doch genau das anziehst, was DU anziehen möchtest?“ Tja, es gibt einfach Kleider, Schuhe und Accessoires, die wir uns niemals ausreden lassen werden. Schließlich kleiden wir uns nicht nur für die Herren der Schöpfung. Sorry Jungs!