WAS VOM TAGE ÜBRIG BLIEB

Auf fast schon tragisch-leise Weise lässt der Roman „Was vom Tage übrig blieb“ von Kazuo Ishiguro seinen Protagonisten zu Wort kommen. Mit großer Umsicht und Zurückhaltung gewährt Mr. Stevens dem Leser einen Einblick in das Leben eines Butlers auf Darlington Hall – einem prestigeträchtigen Herrenhaus in England. Trotz der permanenten Innensicht des Protagonisten, erleben wir nur wenig emotionale Regung. Alles läuft stets in geregelten Bahnen und in hochprofessioneller Ordnung – nicht nur im Bezug auf die Abläufe im Haus selbst, sondern auch in Stevens eigener Wahrnehmung und Erzählung. Er hat sich voll und ganz der Loyalität seines Herren verschrieben und scheint selbst in den intimsten Momenten des Alleinseins seine Gedanken vollkommen unter Kontrolle zu haben. Nahezu automatisiert und unverwundbar bewegt er sich durch die Gänge des großen Anwesens und bleibt von Schicksalsschlägen ebenso wie von zwischenmenschlichen Annäherungen unberührt.

Bis zu dem Tag als er das erste Mal nach langer Zeit die Mauern von Darlington Hall hinter sich lässt und sich auf eine Reise in den Süd-Westen Englands begibt. Den Weg, den er dabei zurücklegt, führt ihn nicht nur zu einer alten Freundin, sondern vor allem zu sich und seinen schon fast vergessenen Gefühlen.

Ein leises, behutsames Buch, das, um es in Mr. Stevens Worten zu sagen, von der ersten bis zur letzten Seite „würdevoll“ ist.

Rezension: Mascha Schlubach


Kazuo Ishiguro: „Was vom Tage übrig blieb“, Heyne Taschenbuch, 9,99 Euro