Ein Klassiker unter’m Weihnachtsbaum: E. H. Gombrichs „Geschichte der Kunst“

Text: Alexandra Wendorf

Gombrichs „Die Geschichte der Kunst” ist eines jener Bücher, die man nicht einfach verschenkt, sondern mit denen man ein kleines Versprechen unter den Baum legt: das Versprechen, die Welt danach mit anderen Augen zu sehen. Kaum ein Klassiker eignet sich besser als Weihnachtsgeschenk für Kopf und Auge zugleich.

Es gibt Bücher, die einen durchs Leben begleiten, statt nur eine gewisse Zeit zu überdauern. E. H. Gombrichs „Die Geschichte der Kunst“ gehört zu diesen besonderen Werken. Seit seiner Erstausgabe im Jahr 1950 nimmt der Band Generationen von Leserinnen und Lesern an die Hand und führt sie mit leiser Autorität durch die Jahrtausende der Kunst. Gombrich schreibt nicht wie ein Dozent im Hörsaal, sondern wie ein gebildeter Erzähler, der davon ausgeht, dass Neugier der Anfang jeder Kunstbetrachtung ist.

Ein stilles Meisterwerk im Buchregal

Berühmt ist sein programmatischer Einstieg, in dem er schreibt, dass es „in Wahrheit keine Kunst, sondern nur Künstler“ gibt. Dieser Satz dient bis heute wie ein kleiner Kompass durch Stile, Epochen und Ismen. Die erste Ausgabe war als verständliche Einführung gedacht. Im Laufe der Jahrzehnte wuchs daraus eines der meistverkauften Kunstbücher überhaupt. Es wurde immer wieder neu aufgelegt und dabei im Bildteil, im Layout und in einzelnen Passagen behutsam überarbeitet. Dabei blieb die Struktur erstaunlich stabil: Kunstgeschichte als große Erzählung, in der jedes Kapitel an das vorherige anknüpft, statt in Fachterminologie zu verfangen.

Heute liegt „Die Geschichte der Kunst” in deutscher Sprache in einer umfangreichen, überarbeiteten Ausgabe bei Phaidon in Berlin vor – ein gewichtiger, reich bebilderter Band, der im besten Sinne nach Bibliothek aussieht. Der Bildteil wurde immer wieder verjüngt: bessere Reproduktionen, zusätzliche Werke, ein moderneres Layout, das die Lust am Schauen unterstützt, ohne den Text zu erschlagen. Wer das Buch zu Weihnachten verschenkt, gibt also nicht nur einen Klassiker weiter, sondern eine aktuelle, liebevoll ausgestattete Version, die gleichermaßen Studienanfänger wie kunstaffine Laien glücklich macht.

Ernst Hans Josef Gombrich wurde 1909 in Wien geboren, emigrierte 1936 nach London und prägte von dort aus die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Als langjähriger Mitarbeiter und späterer Direktor des Warburg Institute, das er von 1959 bis 1976 leitete, verband er wienerische Bildungstradition mit angelsächsischer Klarheit und Skepsis gegenüber großen Theorien. Diese Mischung erklärt, warum sein Ton bis heute so modern wirkt. Das Buch ist gelehrt, aber nie prätentiös. Es erklärt viel, schreibt seinen Leserinnen und Lesern das Sehen aber nicht vor.

Ein ideales Geschenk fürs Sehenlernen

Gerade zu Weihnachten entfaltet dieser Band seinen besonderen Reiz: Man schlägt ihn auf, um „nur kurz etwas nachzusehen“, und bleibt dann an einer Abbildung, einer Formulierung oder einem Kapitel hängen. Vielleicht ist dies das eigentliche Geschenk: dass das Buch, ob zum ersten oder fünften Mal zur Hand genommen, immer wieder Lust macht, in ein Museum zu gehen oder sich zumindest die reproduzierten Werke in Ruhe anzuschauen – mit dem Gefühl, ihnen ein Stück näherzukommen. Wer also noch nach einer Geschenkidee sucht, die länger hält als eine Lichterkette, kann mit Gombrichs „Geschichte der Kunst” ein ganzes Panorama an Bildern unter den Weihnachtsbaum legen.


E. H. Gombrich „Die Geschichte der Kunst“

Phaidon Verlag, 2000, Softcover, 688 Seiten, 413 meist farbige Abbildungen, ISBN 9780714891378 Preis 44,95 Euro. Versandkostenfrei zu beziehen beim Velbrück-Shop.

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