Text: Alexandra Wendorf
Nach fast vier Jahren intensiver Sanierung hat das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt im Juni 2025 feierlich wieder seine Türen geöffnet – ein kulturelles Ereignis, das weit über Rhein-Main hinaus Resonanz findet. Mit modernisierter Infrastruktur, frischem Glanz und klarem Selbstverständnis präsentiert sich das Haus am Schaumainkai erneut als zentrale Plattform für Baukultur, Architekturvermittlung und gesellschaftlichen Diskurs.
Zum Neustart wartet das DAM gleich mit vier Ausstellungen auf, die thematisch sehr unterschiedlich sind und doch eine gemeinsame Leitfrage stellen: Wie wollen wir künftig leben und bauen?
Mit der Ausstellung „Architecture and Energy. Bauen in Zeiten des Klimawandels“ setzt das DAM programmatisch ein deutliches Signal. Gemeinsam mit dem Bauingenieur und Architekten Werner Sobek fragt das Haus: Wie können und müssen wir angesichts der Klimakrise bauen? Fast 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus dem Gebäudesektor – von der Rohstoffgewinnung über Bauprozesse und Nutzung bis zum Abriss. Damit ist er einer der zentralen Verursacher, zugleich aber auch ein Schlüsselbereich für nachhaltigen Wandel. Die Ausstellung macht klar: Klimaschutz betrifft nicht nur die Energieversorgung einzelner Häuser, sondern auch Stadtplanung, Verkehr, Materialwahl und Landschaftsarchitektur. „Architecture and Energy“ zeigt bis zum 5. Oktober realisierte Projekte aus verschiedenen europäischen Ländern, die exemplarisch alternative Ansätze verdeutlichen – vom energieeffizienten Holzhaus bis zu großmaßstäblichen, zukunftsfähigen Stadtquartieren. Ergänzt werden diese durch innovative Materialexperimente, etwa neue emissionsarme Baustoffe aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), oder die interaktive Lernstation „Do you speak Carbon“ des dänischen Büros Henning Larsen. Indem auch Studierende eigene Konzepte einbringen, schlägt die Ausstellung eine Brücke zwischen Praxis und Forschung: Sie wird so zum Zukunftslabor und Aufruf, Baukultur als Teil einer umfassenden ökologischen Transformation zu denken.
Ökologische Innovation allein reicht nicht, wenn das Soziale auf der Strecke bleibt. Die Ausstellung „Stadt Bauen Heute? – Herausforderungen neuer Quartiere in Deutschland“ richtet bis zum 2. November 2025 den Blick auf neun beispielhafte Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland. Sie alle eint der Anspruch, urbanes Leben neu zu denken: nicht bloß als Addition von Wohnraum, Infrastruktur und Gewerbe, sondern als gestalteten sozialen Raum. Nachbarschaften sollen gestärkt, Diversität gefördert, Freiräume geschaffen werden.
Die Schau verdeutlicht, dass heutiges Stadtbauen ein Balanceakt ist – zwischen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialer Inklusion. Sie zeigt Quartiere, die neuen Maßstab setzen: in der Nachverdichtung brachliegender Flächen ebenso wie beim Aufbau ganzer Stadtteile. Architektur, Landschaftsplanung und Mobilitätskonzepte greifen hier ineinander und machen sichtbar, dass das „Stadtquartier der Zukunft“ nicht durch einzelne Gebäude definiert ist, sondern durch die Qualität des Zusammenlebens.
Mit „Stadt für alle“ wagt das DAM einen experimentellen Ansatz. Im Zentrum steht die Frage nach dem demokratischen Zugang zur Stadt: Wem gehört der öffentliche Raum – und wie lässt er sich so gestalten, dass er allen offensteht? Besucherinnen und Besucher sind bis zum 27. September 2025 nicht nur passive Betrachter, sondern aktive Teilnehmende. Sie können direkt Ideen einbringen, eigene Vorstellungen von „Stadt für alle“ formulieren und urbanes Handeln aus der Perspektive von Teilhabe, Barrierefreiheit und sozialer Gerechtigkeit reflektieren. So wird das Museum selbst zum Labor für Partizipation und erweitert klassische Museumsgrenzen: Architektur wird nicht mehr nur gezeigt, sondern gemeinsam mit der Öffentlichkeit diskutiert.
Die Sammlung des DAM – eine der bedeutendsten ihrer Art in Europa – bildet das Rückgrat des Hauses. Mit der Ausstellung, die bis zum 15. Juni 2025 zu sehen war, traten bisher verborgene Schätze ins Rampenlicht. Modelle, Zeichnungen und Dokumente, die über Jahre hinweg meist im Archiv lagerten, waren erstmals in dieser Breite zu sehen. Möglich wurde dies auch durch die Unterstützung der Freunde des DAM. Die Schau betonte, dass Museen nicht nur Orte der Gegenwart, sondern auch Hüter des kulturellen Gedächtnisses sind. Besonders reizvoll war die Mischung: Neben bekannten Architektennamen erschienen auch Stimmen, die bisher kaum Beachtung fanden. Dadurch wird Architekturgeschichte neu erzählt – vielfältiger, überraschender – und hoffentlich in dieser Art häufiger.
Mit seiner Wiedereröffnung positioniert sich das DAM als Forum für die drängenden Fragen unserer Zeit. Die vier Ausstellungen zeigen exemplarisch, wie Architektur zugleich ökologisch verantwortungsvoll, sozial nachhaltig, partizipativ und historischen Bezügen verpflichtet gedacht werden kann. So wird das DAM nach seiner Sanierung nicht nur zu einem musealen Ort, sondern zu einer Plattform für gesellschaftliche Debatten. Es möchte nicht bloß Architektur ausstellen, sondern zum Nachdenken, Mitreden und Umgestalten einladen. Damit unterstreicht Frankfurt seinen Anspruch, ein führendes Zentrum für Baukultur in Europa zu sein
Neueröffnung der Sammlung und Sonderausstellungen im DAM, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, Schaumannkai, Frankfurt, dam-online.de
Weitere Infos zum Museum und den Ausstellungen: hier.
Titelbild: DAM 3. Obergeschoss 2025, Foto: © Moritz Bernoully