Das Werk 作品 – Der Weg 道. EVA KOETHEN

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Text: Xiao Xiao

Die Kunst Eva Koethens beschäftigt sich damit, das Unsichtbare erfahrbar zu machen, das mit sprachlichen Mitteln Undefinierbare in visuellen Medien wahrnehmbar zu machen. In ihrer Kunst ist die Grenzüberschreitung der Weg, auf dem die Künstlerin unermüdlich nach neuer Formsprache sucht.
Seit ich die deutsche Künstlerin und Philosophie Eva Koethen kennengelernt habe, habe ich intensive Gespräche mit ihr über ihre künstlerische und philosophische Gedankenwelt durchgeführt. Sie ist sehr aufgeschlossen gegenüber meinen Fragen zu ihrem künstlerischen Schöpfungsprozess. Wie bei den meisten Künstlern spüre ich in unserem Austausch über ihre Kunst ihre Freude und Offenheit. Aber sie gibt mir auch noch ein anderes Gefühl: Geduld und Empathie gegenüber mir und den von mir gestellten Fragen. Es ist bemerkenswert, dass ich als Rezipientin vor ihrer Kunst nicht allein gelassen werde. Eva Koethen denkt und fühlt mit, wie ich mich gedanklich in der Begegnung mit ihrer Kunst bewege.
Die Kunst Eva Koethens verfügt über vielfältige Darbietungsformen. Die Spannweite des Spektrums ihrer künstlerischen Formsprache reicht von Malerei, Objekten, Skulptur, Installation bis zur Fotografie. Neben ihrem Kunststudium studierte sie Kunstwissenschaften, Philosophie und Psychologie, da sie stark theoretisch interessiert war. Nach ihren erfolgreich Studienabschlüssen war sie als Wissenschaftlerin und Forscherin berufstätig und wurde als Professorin an die Leibniz Universität Hannover berufen. Nach ihrer über 20 Jahren langen Karriere als Institutsleiterin widmet sie sich heute uneingeschränkt der Praxis freier Kunst. Im Unterschied zu meisten bildenden Künstlern fährt Eva Koethen in ihrer ideellen geistigen Entwicklung auf dem Weg der Suche nach der neuen Formsprache zweigleisig. Ihre Kunstwerke entstehen zwischen der philosophischen Gedankenebene und dem ästhetischen Vorgang. In ihrer Kunst wird sichtbar gemacht, welche Relationen zwischen den verschiedenen Ebenen konkreter Leiblichkeit, Stofflichkeit und Gegenständlichkeit bestehen, wie sich diese „Schichten“ jeweils zueinander verhalten. Auf meine Frage nach der Beziehung zwischen den zwei verschiedenen Handlungs- bzw. Vorgehensweisen antwortet sie mir mit einem bildlichen Wort: Philosophisches geschieht im Kopf; die künstlerische Handlung ist eine lebensnahe Praxis, sie ist eine Übung aus dem Alltag heraus. Ich möchte schließlich das Leben ergreifen, das nicht nur wissenschaftlich zu erblicken ist; vielmehr interessiere ich mich, die nicht fassbare Wirklichkeit mit der Hilfe der ästhetischen Mittel zur sichtbaren Struktur zu machen. Ihre Antwort bringt das klare Selbstbewusstsein des in-der-Welt-Seins von Koethen zum Vorschein. In diesem Bewusstsein thematisiert die Künstlerin in ihren künstlerischen Ausdrucksformen eine fließende Relation zwischen ihr und der Welt; die Grenze zwischen Subjekt und Objekt verwischt. Das wahrnehmende Ich dringt in scheinbar leblose Alltagsgegenstände ein. Das Subjekt objektiviert sich durch den künstlerischen Schaffungsprozess der Selbst-Vergessenheit; dadurch vitalisiert sich der Aggregatzustand der Materie. Koethens künstlerischer Prozess hat mit der Tradition der abendländischen Philosophie gebrochen, sodass das humane Bewusstsein und die Erscheinung der materiellen Welt unmittelbar zusammengebracht werden. Das Subjekt zieht nicht mehr eine scharfe Trennlinie zum Objekt, zur objekthaften Welt; das subjektive Bewusstsein bewegt sich auf einer tieferen, phänomenologischen Ebene, in der die Interaktion zwischen der denkenden, erkennenden, handelnden Bewusstseinswerdung und dem von dem menschlichen Denken befreiten Wesenszug eines Gegenstandes auf vitalste Weise stattfindet. In diesem Moment sind Subjekt und das Objekt nicht mehr dichotom zu betrachten; sie sind in der Wirklichkeit im Auge der Künstlerin miteinander verschmolzen, verknüpft, verbunden. Ihr Blick auf unsere Welt ist ein kooperativer Blick; auch in ihrer künstlerischen Handlung findet das abstrakte Denken die Zusammenarbeit mit der ästhetischen Praxis.
Das innere Auge der Künstlerin ist wachsam für das wahrhaftige Sein des Anderen aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Die Kraft der Empathie, mit der man bereit und fähig ist, sich in die Eigenschaften anderer Dinge einzufühlen, die von den Zuschreibungen und Klischees befreit werden sollen, verkörpert die Kraft der mütterlichen Liebe zu ihren Kindern, die den Kindern eine freie Wesensentfaltung ermöglicht. Das Wahrhaftige, das Eigentliche, das den Kern eines Individuums ausmacht, birgt die innere Freiheit gegen Ausbeutung, Verführung oder Missbrauch. Auf diesem Weg der Selbstsuche und Selbsterkenntnis kann man endlich ein unabhängiger Mensch werden. Ein Mensch, der befreit ist von vorgegebenen Zuschreibungen; ein Mensch, der fähig und willig ist, zum inneren Ich zurückzukehren, das in eine Umwelt eingebettet ist, die diesem inneren Ich den Raum schenkt um sich zu entfalten und zu erkennen.
Die Kunst Koethens ist politisch; aber gleichzeitig ist sie auf keinen Fall parteiisch; ihre Kunst appelliert an niemanden, sondern sie vertritt die Haltung der Unmanipulierbarkeit. Sie erzählt uns ihre achtsamen Beobachtungen mit einer leisen Weise, sie ist mikrokosmisch, aber gleichzeitig besitzt sie die Größe der Allgemeingültigkeit. Sie ist konkret, stofflich, vergänglich, fließend, beweglich; sie ist sanft und zärtlich: die Kraft der Frauen, die Weisheit der Mütter.

Ausstellung: Tenri. Deutsch-Japanische Kulturwerkstatt

Ausstellungsdauer: 03.06.-03.07.2022, dienstags bis samstags 13:00-19:00[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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