Text: Alexandra Wendorf
Anlässlich des 500. Jahrestags des Bauernkriegs präsentiert das Museum im Kulturspeicher Würzburg nicht nur eine sehenswerte Ausstellung, sondern mit dem im Wienand Verlag erschienenen Katalog auch ein Buch, das die historische Tiefe, die ästhetische Vielfalt und die politische Sprengkraft dieses Themas eindrucksvoll einfängt. Die Tatsache, dass Würzburg 1525 ein Brennpunkt des Bauernkriegs war, verleiht dem Projekt eine lokale Verbindung – doch das Buch weitet den Blick: Es zeigt, dass der Kampf um „eine neue Ordnung in der Welt“, wie Luther die Forderungen der Bauern spöttisch paraphrasierte, ein universelles Thema ist.
Die Beschäftigung mit dem Thema macht deutlich, dass der Bauernkrieg immer dann künstlerisch aktualisiert wurde, wenn Gesellschaften an Kippunkten standen – sei es 1848, in den Nachkriegsjahrzehnten oder heute. Dabei geht es nicht um eine bloße Rückschau, sondern um die Frage, warum der Aufruhr der Bauern auch 500 Jahre später noch inspirieren kann – in Zeiten sozialer Spaltung, ökologischer Krisen und neuer Protestbewegungen.
Der Bauernkrieg von 1525, oft als blutiger Auftakt moderner Freiheitskämpfe betrachtet, ist somit nicht als abgeschlossenes Kapitel der Geschichte zu betrachten – dies wird sowohl in der Ausstellung als auch in ihrem Begleitbuch deutlich. Er wird vielmehr zum Spiegel, in dem sich wechselnde politische Deutungen, ästhetische Strategien und gesellschaftliche Wünsche erkennen lassen. Die Künstlerinnen und Künstler des 19. Jahrhunderts, der Moderne, der DDR und der Gegenwart interpretieren die Revolte je nach Zeitgeist neu – mal heroisch, mal warnend, mal solidarisch.
Bedeutung im historischen Kontext
Das Buch versammelt dazu kenntnisreiche Beiträge von Henrike Holsing, Matthias Stickler, Sophie Thorak und Wolfgang Ullrich und spannt einen Bogen von der ersten bildkünstlerischen Rezeption des Bauernkriegs im Vormärz bis zu aktuellen Positionen der zeitgenössischen Kunst, die sich mit globalen Protestbewegungen auseinandersetzen. Die Texte sind dabei mehr als nur Begleitworte zur Ausstellung: Sie sind eigenständige Essays, die in klarer Sprache historische Kontexte und ideengeschichtliche Entwicklungen offenlegen.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Wandel der künstlerischen Rezeption im Spiegel politischer Systeme. Das Spektrum reicht vom Geist der 1848er-Demokratiebewegung über die Arbeiterkämpfe der 1920er Jahre und die ideologisch geprägte Darstellung des Bauernkriegs in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland bis hin zu heutigen künstlerischen Reflexionen über Protest und Gerechtigkeit. Diese historische Vielschichtigkeit zeigt sich nicht zuletzt in der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler: Lovis Corinth, HAP Grieshaber, Lea Grundig, Bernhard Heisig, Ernst Ludwig Kirchner, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, August Sander, Franz Wilhelm Seiwert, Werner Tübke und viele andere stehen exemplarisch für die vielfältigen Perspektiven auf den historischen Aufstand. So beleuchtet auch der Textbeitrag u.a. von Wolfgang Ullrich die politische Instrumentalisierung des Bauernkriegs: Wie und warum wurde aus einem historisch komplexen Ereignis ein symbolischer Kampf für Gleichheit und Gerechtigkeit? Welche Rolle spielten dabei stilistische Mittel und narrative Techniken der Kunst? Ullrichs Analyse schärft den Blick für die Ambivalenz des Revolutionsmythos.

Mit über 140 farbigen Abbildungen ist der Band auch visuell beeindruckend. Er präsentiert nicht nur zentrale Werke von Kollwitz, Tübke oder Beuys, sondern auch weniger bekannte Positionen, beispielsweise von Valentin Schwab oder Monika Huber. Die Bildstrecke ermöglicht eine unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Thema und zeigt, wie unterschiedlich künstlerische Handschriften das Motiv des Aufstands interpretieren: vom expressionistischen Holzschnitt bis zur dokumentarischen Fotografie. Der Katalog zur Ausstellung ist ein politisch sensibles, klug gestaltetes und inhaltlich umfassendes Buch über den langen Schatten eines historischen Aufstands und über die Kunst als Seismograf gesellschaftlicher Erschütterungen. Für alle, die sich für politische Ikonographie, Protestästhetik und die lange Dauer des Revolutionsgedankens interessieren, ist dieser Band eine lohnende Lektüre.
BAUERN! Protest, Aufruhr, Gerechtigkeit
BAUERN! Protest, Aufruhr, Gerechtigkeit, Wienand Verlag, 2025, ISBN: 978-3-86832-816-5, 160 Seiten, ca. 140 Abbildungen, Preis: 24,50 €
Begleitkatalog zur gleichnamigen Ausstellung im MiK, Museum im Kulturspeicher Würzburg (endete am 3. August 2025); weitere Infos hier
Titelbild: Franz Wilhelm Seiwert, Der deutsche Bauernkrieg, 1932, Öl auf Sperrholz, 99,5 x 150 cm, © von der Heydt Museum Wuppertal, Foto: Medienzentrum Wuppertal