Jugendstil in München

Text: Alexandra Wendorf

München erlebte um die Jahrhundertwende eine kulturelle Blütezeit, geprägt durch den Jugendstil, der Kunst, Architektur und Theater grundlegend veränderte. Zwei herausragende Ausstellungen widmen sich aktuell dieser Epoche: „Kunst und Bühne – Spielorte des Münchner Jugendstils“ im Deutschen Theatermuseum und „Jugendstil“ in der Kunsthalle München.

Die Ausstellung „Kunst und Bühne – Spielorte des Münchner Jugendstils“ im Deutschen Theatermuseum beleuchtet die tiefgreifenden Veränderungen in der Theaterästhetik um die Jahrhundertwende. Bis zum 23. März 2025 können Besucher noch erleben, wie München unter dem Einfluss der Jugendstil-Bewegung zu einem Zentrum der Theaterreform wurde.

In dieser Zeit forderten Künstler wie Richard Riemerschmid, Fritz Erler und Thomas Theodor Heine eine Erneuerung der Bühnenkunst. Sie lehnten die exakte Nachbildung der Wirklichkeit auf der Bühne ab und strebten nach neuen Ausdrucksformen, die den veränderten Sehgewohnheiten und dem Zeitgeist entsprachen. Ein herausragendes Beispiel dieser Reformbestrebungen ist das 1908 eröffnete Münchner Künstler-Theater auf der Theresienhöhe. Dieses Theater, mit seiner einzigartigen Reliefbühne, entstand durch die Zusammenarbeit einer jungen Künstlergeneration mit dem erfahrenen Architekten Max Littmann und gilt als stilbildend für den Aufbruch in die Moderne.

Mit Exponaten wie Architekturskizzen, Figurinen und 3D-Rekonstruktionen zeigt die Ausstellung die Innovationen im Bühnenbau und Design. Historische Spielorte wie das Schwabinger Schattenspiel-Theater und das Kabarett „Elf Scharfrichter“ werden dabei ebenfalls thematisiert.

Philipp Kester, Hofatelier Elvira in München – Außenfassade des Gebäudes, um 1900
Fotografie, 18 × 13 cm, © Münchner Stadtmuseum, Archiv Kester
Peter Behrens, Der Kuss, 1899
Farbholzschnitt, 28,5 × 19 cm
Münchner Stadtmuseum

Ergänzend zur Theaterperspektive lädt die Ausstellung „Jugendstil. Made in Munich“ in der Kunsthalle München zu einer umfassenden Entdeckungsreise in die Welt des Jugendstils ein. Ebenfalls bis zum 23. März 2025 präsentiert die Schau einen breiten Überblick über diese faszinierende Epoche, die von etwa 1890 bis 1910 das Design, die Kunst und das Handwerk revolutionierte.

Die Ausstellung „Jugendstil. Made in Munich“, die vom 17. Oktober 2024 bis zum 23. März 2025 in der Kunsthalle München zu sehen ist, beleuchtet die herausragende Rolle Münchens als Wiege des Jugendstils in Deutschland. Mit einer Fülle an Exponaten aus Kunsthandwerk, Malerei, Grafik, Fotografie, Mode und Schmuck stellt die Schau die visionären Ansätze einer Künstlergeneration vor, die um 1900 danach strebte, Kunst und Leben zu einer Einheit zu verschmelzen. Dabei wird deutlich, wie die damaligen Reformideen – etwa zu Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit und der Demokratisierung von Kunst – bis heute aktuell geblieben sind.

Die Ausstellung entführt die Besucher:innen in die Welt um 1900 und rekonstruiert unter anderem das Interieur eines Schwabinger Wohnhauses mit Entwürfen von Richard Riemerschmid. Dieses Ensemble verdeutlicht das Streben nach einem Gesamtkunstwerk, in dem alle Aspekte des Lebens von künstlerischem Gestaltungswillen durchdrungen sind. Ein weiteres Meisterstück ist Hermann Obrists berühmter Wandbehang Peitschenhieb, dessen dynamische Linienführung die Faszination der Jugendstil-Künstler für die Natur widerspiegelt. Die Natur diente nicht nur als Inspirationsquelle, sondern wurde von den Künstlern zunehmend stilisiert und abstrahiert, was den Weg in die Moderne ebnete.

Auch der Dialog mit vergangenen Epochen ist ein zentraler Aspekt der Ausstellung. Werke wie Bernhard Pankoks elegante Möbelstücke oder Franz von Stucks Skulptur Speerschleudernde Amazone zeigen, wie die Künstler Inspiration in historischen Techniken und Formen suchten. Gleichzeitig eröffnet die Schau Einblicke in die fantasievollen Welten der Märchen, Mythen und Sagen, die in Marionetten- und Schattenspielen besonders lebendig wurden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem kulturellen Austausch: So beeinflussten außereuropäische Motive und Techniken die Kunstschaffenden und spiegelten sich etwa in Riemerschmids asiatisch inspirierten Holzarbeiten wider.

Die Ausstellung geht auch auf die gesellschaftliche Dimension des Jugendstils ein. In einer Zeit rasanter Industrialisierung und Urbanisierung bemühten sich die Künstler, Kunst und Design für breite Käuferschichten zugänglich zu machen. Modular ergänzbare Möbel von Bruno Paul oder Riemerschmids maschinell herstellbare Maschinenmöbel belegen den Anspruch, künstlerische Gestaltung mit funktionalem und erschwinglichem Design zu verbinden. Die ausgestellten Werke, die zum großen Teil aus der renommierten Jugendstil-Sammlung des Münchner Stadtmuseums stammen, werden von Bodo Sperlein modern inszeniert. Der Designer verleiht der Präsentation eine zeitgemäße Ästhetik, die den innovativen Geist des Jugendstils reflektiert.

Mit der umfassenden Schau gelingt es der Kunsthalle München, den Jugendstil in seiner ganzen Vielseitigkeit darzustellen. Sie macht erlebbar, wie diese Bewegung nicht nur die Kunst, sondern auch das Leben revolutionierte, und zeigt, wie zeitgemäß die Visionen dieser Epoche noch immer sind. Die Ausstellung ist ein beeindruckender Blick auf eine Zeit des Aufbruchs und ein Höhepunkt im kulturellen Kalender Münchens.

Die beiden Ausstellungen bieten noch bis zum 23. März 2025 eine einzigartige Gelegenheit, den Jugendstil aus verschiedenen Perspektiven zu erleben und ergänzen sich perfekt: Während das Deutsche Theatermuseum die Rolle Münchens als Zentrum der Theaterreform herausstellt, beleuchtet die Kunsthalle München die Breite und Vielseitigkeit des Jugendstils in Kunst und Alltag. Besucher können so eine Epoche erleben, die nicht nur die Kunst revolutionierte, sondern auch gesellschaftliche Fragen aufwarf, die bis heute relevant sind – von der Gleichstellung der Geschlechter bis zur Nachhaltigkeit. Sie zeigen nicht nur die Schönheit dieser Epoche, sondern auch ihre Relevanz für heutige Fragen nach Ästhetik und gesellschaftlichem Wandel. Für alle, die sich für die Verbindung von Kunst, Architektur und Theater interessieren, sind diese zwei Ausstellung ein absolutes Highlight im Münchner Kulturkalender.

Kunst und Bühne. Spielorte des Münchner Jugendstils: Deutsches Theatermuseum, Galeriestr. 4a, 80539 München, www.deutschestheatermuseum.de

Jugendstil. Made in Munich: Kunsthalle München, Theatinerstraße 8, 80333 München, www.kunsthalle-muc.de

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