Kunst, Licht und neue Perspektiven 

Text: Arthur Bach

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Tage werden kürzer und in den frühen Morgen- und Abendstunden liegt bereits der erste Hauch von Herbst in der Luft. Gerade dieser Übergang macht deutlich, wie sehr Licht und Stimmung unser Naturerleben prägen – und wie intensiv sich Künstler:innen seit jeher mit diesen Momenten auseinandergesetzt haben. Passend zum Wechsel der Jahreszeiten widmet sich das Museum Kunst der Westküste auf Föhr in seiner aktuellen Ausstellung einem Thema, das wie kein anderes für die nordische Lichtfülle und die poetische Kraft der Landschaft steht: dem Mittsommer. Sie zeigt, wie Malerei Stimmungen einfängt, die jedem bekannt sind, der den Zauber eines langen nordischen Abends erlebt hat.

Die Ausstellung „MITTSOMMER! Stimmungslanschaften des Nordens 1880–1920” entführt in die faszinierende Atmosphäre nordischer Sommernächte und präsentiert rund 70 Meisterwerke aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Zwischen 1880 und 1920 durchlebte die Malerei des Nordens eine Phase des Aufbruchs: Realismus, Impressionismus und Symbolismus verbanden sich zu einer neuen Bildsprache, in der Naturerfahrung, Stimmung und Licht zum Hauptmotiv wurden. 

Die Künstlerinnen und Künstler wagten sich hinaus in die Landschaft, um die Flüchtigkeit des Augenblicks direkt festzuhalten. In der Ausstellung begegnen die Besucher:innen Werken von Größen wie Anna Ancher, Peder Severin Krøyer, Bruno Liljefors, Helene Schjerfbeck und Christian Skredsvig. Darunter befinden sich zahlreiche Gemälde aus der renommierten Sammlung Fielmann, die erstmals in dieser Dichte öffentlich gezeigt werden.

Mittsommer als Motiv und Fest

Der Mittsommer ist in Nordeuropa ein zentrales kulturelles Ereignis. Ausgelassene Feste, Musik und Tanz begleiten diese Zeit, in der das Sonnenlicht fast rund um die Uhr präsent ist. Die berühmten „Weißen Nächte“ lassen die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen und tauchen die Landschaft in schimmernde Blau- und Gelbtöne. Maler wie Krøyer fingen diese eigentümliche Stimmung in Szenen am Meer oder in geselligen Festdarstellungen ein, während Künstlerinnen wie Ancher die intime Atmosphäre von Innenräumen im sanften Abendlicht studierten.

Nicht nur die Malerei, sondern auch die Literatur jener Zeit reflektierte dieses Phänomen: Die besondere Lichtstimmung inspirierte Schriftsteller wie Knut Hamsun oder Selma Lagerlöf zu poetischen Schilderungen, die das Empfinden des Nordens weit über seine geografischen Grenzen hinaus bekannt machten.

Die Werke aus dieser Epoche zeigen, wie sehr der Norden in den internationalen Austausch eingebunden war. Künstler reisten nach Paris, München oder Berlin, brachten Eindrücke impressionistischer und symbolistischer Strömungen mit und übertrugen sie auf ihre eigene Landschaft. Gleichzeitig entwickelten sie eine unverwechselbar nordische Malerei, die auf der Verbindung von Naturverbundenheit und kulturellem Selbstbewusstsein beruhte.

Anna Ancher, Sommerabend, undat., © Sammlung Familie Fielmann

Charakteristisch ist die enge Beziehung zwischen Mensch und Natur: Fischer, Bäuerinnen oder spielende Kinder erscheinen auf den Bildern nicht als Staffage, sondern als Teil der Landschaft – fast, als wären sie mit Licht und Raum verschmolzen. Die Malerei dieser Zeit bereitete somit den Boden für die spätere Moderne, in der Abstraktion und Reduktion weitergeführt wurden. Helene Schjerfbeck gilt heute beispielsweise als Wegbereiterin einer expressiven, fast minimalistischen Bildsprache.

Neben den Gemälden erwartet die Besucher ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit öffentlichen Führungen und sogar Yoga-Stunden zwischen den Kunstwerken – eine ungewöhnliche, aber stimmige Verbindung von Naturwahrnehmung und innerer Balance. Begleitend erscheint ein reich bebilderter Katalog, der vertiefende Einblicke in die Kunst und ihren gesellschaftlichen Kontext bietet.


MITTSOMMER! STIMMUNGSLANDSCHAFTEN DES NORDENS 1880–1920

Museum Kunst der Westküste, die Ausstellung läuft noch bis zum 11. Januar 2026 | Weitere Infos: hier.

Titelbild: Akseli Gallen-Kallela, Sonnenuntergang über dem Ruovesi-See, 1915-16, © Collection Broere Charitable Foundation

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