Welten aus Glas im Kunstpalast Düsseldorf

Text: Alexandra Wendorf

Nach einer vierjährigen Modernisierung hat der Kunstpalast Düsseldorf im November 2024 seine legendäre Glassammlung neu eröffnet und präsentiert sie in einer weltweit einzigartigen Inszenierung. Im neu gestalteten Sammlungsflügel entfalten mehr als 1.000 ausgewählte Exponate ein facettenreiches Panorama der Glaskunst. Parallel dazu setzt die Sonderausstellung „Mythos Murano” den ersten Akzent im neuen Themenbereich für wechselnde Glas-Schauen – eine Hommage an die traditionsreiche Glasmacherinsel in der venezianischen Lagune.

Mit über 13.000 Objekten zählt die Düsseldorfer Glassammlung zu den größten der Welt und zeigt die Entwicklung der Glaskunst vom Altertum bis in die Gegenwart. Sie zeigt eindrucksvoll, wie Glas über Jahrtausende hinweg nicht nur als Gebrauchs- oder Luxusobjekt diente, sondern immer auch ein Experimentierfeld für künstlerische Innovationen war. So lässt sich an ausgewählten Meisterwerken die Entwicklung von Techniken, Stilrichtungen und künstlerischen Handschriften nahezu lückenlos nachvollziehen. Dabei spannt die Sammlung den Bogen von altägyptischem Schmuck aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. über Luxusgläser aus dem Mittelalter und der Renaissance bis hin zu Meisterwerken des Jugendstils, der Moderne und zeitgenössischen Designikonen sowie experimentellen Einzelstücken.

Mauro Vianello, Clownfisch, Clownfish, Murano, 2022, Farbgläser, vor der Lampe geblasen und geformt, Credit-Line: Schenkung Mauro Vianello, Foto: © Kunstpalast, Düsseldorf

Die neue Präsentation folgt einem doppelten Konzept: Sie ist sowohl chronologisch als auch thematisch gegliedert. Besucher begegnen Klassikern wie Karl Koeppings detailreichem Zierkelch oder Jutta Cunys poetischer Skulptur „Narcisse Endormi“, während spektakuläre Neuankäufe frische Akzente setzen. Zu ihnen gehören das lebensgroße Glaskleid „Nocturne #6“ von Karen LaMonte und das augenzwinkernde Designobjekt „Cucumber“ der Mailänder Marke Sunnei.

Auch die Vermittlung ist zeitgemäß gestaltet: Für Kinder gibt es einen von dem Künstler und Illustrator Christoph Niemann gestalteten Raum, der mit Humor und Farben die filigrane Welt des Glases erlebbar macht. Digitale Extras wie ein Augmented-Reality-Feature für das berühmte Fenster von Henry van de Velde und ein vielfältiges Führungsprogramm erweitern die Ausstellung in den virtuellen Raum.

Mythos Murano – Glanz und Geheimnis aus der Lagune

Die parallel eröffnete Ausstellung widmet sich der besonderen Faszination venezianischer Glaskunst. Mehr als 135 ausgewählte Werke, vor allem aus der Blütezeit zwischen 1920 und 1970, zeigen, wie Glasmeister mit kühner Formensprache, leuchtenden Farben und technischen Innovationen die Welt begeisterten.

Die Geschichte der Murano-Glasbläserei beginnt im 7. Jahrhundert. Ihren Aufstieg verdankt sie einem weitreichenden Beschluss der Venezianischen Republik: Im Jahr 1291 wurden aus Brandschutz- und Geheimhaltungsgründen alle Glasöfen auf die Insel Murano verlegt. Die Abgeschiedenheit machte Murano zum Labor streng gehüteter Techniken – vom farblosen Cristallo über brillantes Farbglas mit Metalloxiden bis zu kunstvollen Murrine-Mustern. Die Meister genossen Privilegien, durften die Insel aber nicht verlassen, um das „Industriegeheimnis“ zu wahren.

Marta Klonowska, Glasobjekt und Gemäldereproduktion Ziege aus dem Gemälde „Landschaft mit Apollo und der Cumäischen Sybille“, Düsseldorf, Deutschland, 2008, Metallgerüst; Flachglasscherben, Silikon; Reproduktion auf Papier eines Gemäldes, Ankauf, Foto: © Kunstpalast, Düsseldorf

Über Jahrhunderte blieb Murano ein Synonym für Luxus und höchste handwerkliche Qualität und war an Fürstenhöfen sowie auf internationalen Märkten begehrt. Zwar verbreiteten sich die Techniken im 17. Jahrhundert durch abgeworbene Glasmacher nach Frankreich oder Böhmen, doch Murano behauptete seinen unvergleichlichen Ruf und erlebte im 19. Jahrhundert eine Renaissance, die bis heute anhält.

Die Düsseldorfer Schau zeigt diese ganze Spannbreite: filigrane Vasen, opulente Leuchter, verspielte Figuren und moderne Experimente. Arbeiten von Livio Seguso, Luciano Vistosi oder Tony Cragg veranschaulichen, wie Tradition und zeitgenössische Kunst einander beeinflussen.

Im Geiste der Forschung, Förderung und Zukunft des Glases

Die Glassammlung des Kunstpalasts ist nicht nur Sammlungspräsentation und Ort von Wechselausstellungen, sondern auch internationales Referenzarchiv. Sie bietet Forschenden, Künstler:innen und Designer:innen Zugang zu seltenen Originalen und inspiriert zu neuen Projekten. Viele der Stücke stammen aus renommierten Privatsammlungen oder bedeutenden Schenkungen.

Mit Initiativen wie dem Jutta-Cuny-Franz-Preis fördert der Kunstpalast gezielt junge Talente und stärkt die zeitgenössische Glaskunst. So wird die Sammlung zum aktiven Motor für die Weiterentwicklung eines Materials, das seit Jahrtausenden handwerkliche Präzision, künstlerische Vision und technische Innovation vereint und die Menschheit seit jeher fasziniert.


Glassammlung des Kunstpalastes: Neueröffnung der Sammlung und Sonderausstellung MYTHOS MURANO


Weitere Infos zur Sammlung und Ausstellung: hier.

Titelbild: Alessandro Pianon, Orangefarbenes Küken (pulcino), Murano, ca. 1960–1962 (Entwurf), Orangefarbenes Glas, frei geblasen, aufgeschmolzene rote Krösel und Mosaikglasscheiben (murrine); Kupferdraht, gehämmert, in farbloses Glas gefasst, Ankauf, Foto: © Kunstpalast, Düsseldorf

Newsletter

Folgen Sie uns!