EIN REGENSCHIRM FÜR DIESEN TAG

Text: Oliver Gehrmann

Wilhelm Genazinos Roman “Ein Regenschirm für diesen Tag” hat auch siebzehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nichts an poetischer Schlagkraft verloren. Prototypisch für das Werk Genazinos begleitet man den männlichen Protagonisten, der auch gleichzeitig als Ich-Erzähler agiert, bei unzähligen Streifzügen durch Frankfurt am Main, wo er stets distanziert seine Umgebung beobachtet. Trotz der akademischen Ausbildung, arbeitet er jedoch, auch Genazino-typisch, nicht in einem gelehrten Umfeld. Stattdessen schlägt sich die Hauptfigur des Romans mit Gelegenheitsjob durch und schreibt unter anderem Gutachten für Luxusschuhe, die er selbst trägt und testet. Während er durch die Stadt flaniert und immer wieder auf Personen trifft, die er kennt und mit denen er sich mal mehr, mal weniger gern auf Gespräche einlässt, reflektiert er das Leben und bemerkt, dass sich die Grenze zwischen alltäglicher Normalität und völligem Wahnsinn immer mehr aufzulösen scheint.

Genazinos oft seltsam anmutende und zugleich unglaublich komische Poetik sowie die vollkommende Reduktion der Sprache, ziehen den Leser sofort in den Bann. Ein wundervoller Roman voller geistreichem Witz über einen Protagonisten, der das Gefühl hat, ohne wirkliche Genehmigung auf der Welt zu sein und der versucht einen Platz in der Merkwürdigkeit des Lebens zu finden.


Wilhelm Genazino: „Ein Regenschirm für diesen Tag“, dtv Verlag, 7,90 Euro

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