ENTFANTS TERRIBLES

Von Alexandra Wendorf

Anonymität als künstlerisches Prinzip: Der Name ist Programm. Artists Anonymous, kurz AA, nennt sich eine Künstlergruppe, die sich durch Anonymität den Gepflogenheiten des etablierten Kunstmarktes widersetzt und ihn zugleich durch ihren wachsenden Erfolg bestätigt. Ein Widerspruch, den diese Künstler meistern, indem sie das Paradoxon als ein Wesen der Kunst ansehen. Seit ihrer Gründung 2001 gehen sie in einer verblüffenden Mischung aus Künstlerdasein und Galeristentätigkeit in eigener Sache ihren kompromisslos autarken Weg, als Enfants terribles, oftmals unerkannt und maskiert, immer irritierend. Sie agieren subversiv und entwickeln ihre Kunstwerke gemeinsam in dem von ihnen neu entwickelten ‚negativen Verfahren‘, schaffen Rauminstallationen, verwirrend, psychedelisch, surreal. Die von ihnen behandelten Themen und Sujets sind provokant, gesellschaftskritisch und ironisch. Widerspruch und Mehrdeutigkeit sind ihre Stilmittel, um Eindeutiges und Unwahres zu entlarven und den Betrachter nicht selten mit unbeantworteten Fragen zurückzulassen. Nach eigener Aussage gehen sie das Risiko ein, extreme moralische Positionen und inhaltliche Standpunkte in ihren Arbeiten zu vertreten bzw. zur Diskussion zu stellen, um Kommunikation und Dialog zu ermöglichen. Der Betrachter und folglich der Rezipient ihrer Werke soll direkt angesprochen und zum Diskurs über Kunst und das was sie kann bzw. nicht kann angeregt werden. „Kunst im 21. Jahrhundert muss sich auf die Wirklichkeit beziehen. Der Künstler lebt nicht für sich selbst, macht keine Kunst, sondern Wirklichkeit. Unsere Themen sind Realität, denn Bilder zu malen, die nichts mit der Welt und der Wirklichkeit zu tun haben, ist nicht Kunst“, lautet eines ihrer Statements.

Die Artists Anonymous spielen bewusst mit der Wahrnehmung von Realität und der damit einhergehenden Erwartungshaltung des Betrachters, indem sie ihre Motive durch das so genannte ‚negative Verfahren‘ umkehren. Ein Prozess, der nur durch die Technik des Malens und nicht etwa durch fototechnische Manipulationen entsteht. Die Bezeichnung „negativ“ wird durchaus auf die gemeinhin sprachliche Beurteilung zurückgeworfen, gleichbedeutend mit schlecht oder falsch. Mit dem Negativ(en) wollen die Künstler auf etwas Gegenteiliges hinweisen, auf etwas Anderes, das fehlende oder nicht sichtbare Gegenstück, letztlich auch auf das Unbekannte. Die Artists Anonymous erklären dieses Verfahren und die zugrundeliegende Idee folgendermaßen: „Negative Materie ist immer noch nicht wirklich erforscht oder verstanden und bildet eine ebenso große und umfassende Realität wie die uns bekannte positive. Durch das Gegenübersetzen von positiv und negativ kann eine Neutralisierung stattfinden, ein Ausgleich, ebenso, wie Spannung entsteht. Es gab bisher nicht die Frage, ob ein Bild negativ ist. Jetzt gibt es diese Perspektive, die sich in der Malerei sofort wieder ad absurdum führen lässt: Gerhard Richter hat uns vor Augen geführt, dass Farbe nicht unscharf sein kann. Ebenso wenig gibt es Farbe, die negativ ist. ,Wir malen negative abstrakte Bilder‘, ist ein Paradox, eine Unmöglichkeit in sich, die in der Unsicherheit, die sie erzeugt, den Punkt trifft, an dem unsere oder Kunst im allgemeinen stattfindet. Von einem positiven Nachbild wieder ein Ölgemälde herzustellen, das dann farblich richtig, also positiv, doch per definitionem ein negatives Bild ist, beschreibt das Paradox. Denn das Bild stellt das Negativ von etwas real Existierendem dar.“

Ausstellungsansicht © Ian Cox, Courtesy by Lazarides Gallery

Dieser sehr komplexe Ansatz durchzieht sämtliche Arbeiten der Artists Anonymous, die jeweils eine Negativ- und eine Positiv-Version eines Motivs schaffen. Es existieren also immer zwei Bilder innerhalb eines Werkes, die wie die zwei Seiten einer Medaille zu verstehen sind. Erst in ihrem untrennbaren Zusammenhang erhalten sie ihre Bedeutung. Dieses künstlerische Prinzip findet seine Entsprechung in der generellen Arbeitsweise der Künstlergruppe und mündete schließlich auch in der Namensgebung, die eine klare Position zum Kunstmarkt darstellt. Auch wenn die Sammler die Künstler durchaus persönlich kennen, wissen sie doch nicht, wer von ihnen welchen künstlerischen Anteil an dem jeweiligen Werk hat. Die Urheberschaft bleibt unerkannt, Rückschlüsse auf die Person des Künstlers sind nicht oder nur bedingt möglich. „Einige der Sammler kennen uns nicht persönlich, mit anderen hat sich eine sehr freundschaftliche Beziehung aufgebaut und der persönliche Kontakt ist sehr wichtig, aber unsere Anonymität wird besonders in diesem Zusammenhang oft missverstanden. Wir sind nicht als Personen anonym und müssen es auch nicht sein. Es ist nicht notwendig unsere Gesichter zu verstecken oder Namen zu verheimlichen, denn die Kunst selbst ist ja anonym, und darum ging es uns von Anfang an und geht es immer noch. Die Kenntnis des Künstlers und Urhebers wird immer unmittelbar die Bewertung und Interpretation des Kunstwerkes beeinflussen. Eine von einer weiblichen Person geschaffene Arbeit wird anders beurteilt werden, als die von einer männlichen Person kreierte; sie wird nach Alter, Herkunft und anderen Attributen des Künstlers bewertet. Unsere Werke sind immer ein ‚Artist Anonymous‘, ein Kunstwerk mit unbekannter Herkunft, das so wie es ist, ohne den Zusatz der Künstlerpersönlichkeit, überzeugen muss.“

Artists Anonymous. The Apocalyptic Warriors, Dumont-Verlag, 264 Seiten, Hardcover, EUR 39,95

artists-anonymous.com

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