KÜNSTLERDUOS | Von der Herausforderung, gemeinsam zu leben und zu arbeiten.

Jeanne-Claude und Christo, Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, Hans Arp und Sophie Taeubner-Arp, Bernd und Hilla Becher – sie alle waren nicht nur Künstler, sondern Künstlerpaare. Viele dieser Paargeschichten sind geradezu legendär – man denke nur an Frida Kahlo und Diego Rivera oder Camille Claudel und Auguste Rodin. Die Trennung zwischen Werk und Privatleben wird in der öffentlichen Wahrnehmung und kunsthistorischen Rezeption unterschiedlich beurteilt, ist es doch oftmals schwierig, den jeweiligen Anteil des anderen an der Entstehung der Kunstwerke zuzuordnen wie etwa bei Ernst und Hilla Becher. Bis zum Tod von Bernd Becher im Juni 2007 galt das Ehepaar als das Künstlerpaar der Düsseldorfer Szene. Nicht nur hatten sie mit ihren konzeptionellen Ideen die Fotografie in Deutschland kunstwürdig gemacht, ihnen schien auch sonst zu gelingen, woran andere nicht mehr zu glauben wagten. Die Bechers verkörperten eine einmütige Symbiose aus Arbeit und Leben. Die Künstler verbanden nicht nur die gemeinsame Profession, sie arbeiteten auch zusammen an ihren Werken. In einem Interview mit dem Kurator Michael Köhler stellten sie einmal fest, dass ihnen Hierarchien vollkommen fremd seien: „Jeder macht alles, mal der eine dies und der andere das, und dann wieder umgekehrt“. Wer im Einzelfall den Auslöser betätigte oder wer das Bild entwickelte oder vergrößerte – es schien für sie keine Rolle zu spielen.

Arbeitsteilung von der Idee bis zur Realisation

Heute sind Paare wie die Bechers längst keine Seltenheit mehr. Spätestens in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden derartige Künstlerpaare zu einer Art Markenzeichen in der internationalen Kunstszene. Paararbeit ersetzte nun den lang gehegten Mythos vom singulären, einzigartigen Kunstgenie. Eva und Adele beispielsweise oder Pierre & Gilles setzten fort, was in den 60er Jahren mit den Bechers begonnen hatte. Sie alle schienen die unverrückbare Idee von Urheber- und Autorenschaft Stück für Stück zu dekonstruieren und in weiten Teilen das umzusetzen, was bereits mit den Künstlerwerkstätten seit der Renaissance begonnen hatte: die unlösbare Verbindung von Idee und Realisierung im Verhältnis zur Arbeitsteilung an einem gemeinsam geschaffenen Werk. Wer hat wieviel und was geschaffen? Wer hat welchen Anteil und wer hat was vom anderen übernommen, verändert oder gar vernichtet? Wie bei jeder Beziehung, in Besonderheit nachdem sie beendet wurde, stellt sich die Frage um das Eigene und das sich Ergänzende, um die Zuschreibung und schließlich um die ganz handfeste Honorierung der individuellen Leistung. Wer signiert die Werke, wann erschafft und erhält jeder der beiden von allem etwas? Gerade bei historischen Paaren stellt sich zudem die Frage, wann die Kunstgeschichte das weibliche Werk zur Kenntnis nimmt, statt in der Rezeption die patriarchalen Muster zu reproduzieren. So war nicht selten der Blick auf Frauen als Teil des Künstlerpaares beschränkt auf ihre Rolle als Modell, Muse, Sekretärin, Haushälterin, Mutter, Wirtschafterin oder streitbare Nachlassverwalterin.

Gemeinsamkeit bis zur Symbiose?

Es gibt auch Beispiele, bei denen Künstlerpaare in eine vollkommene Symbiose aufgehen. So spricht das Britische Künstlerduo Gilbert & George über und von sich immer nur in der „Wir“-Form. Bei Jeanne-Claude und Christo war es ganz ähnlich; der eine ohne den anderen ist schwer denkbar, weil sie ihre Projekte ausschließlich als Paar realisierten. Renate Berger, die zum Thema der künstlerischen Paargemeinschaft forschte und in ihrem 2000 erschienenen Buch „Liebe Macht Kunst. Künstlerpaare im 20. Jahrhundert“ berühmten Künstlerpaaren eine Aufsatzsammlung widmete, macht eines deutlich: Bei all diesen Paaren war und ist die emotionale Durchlässigkeit wesentlich. Sich nicht zu verschließen, sondern alles zuzulassen, auch etwas zu riskieren, sei bei diesen Paaren elementar. Ohnehin lieferten Künstler komplexe Antworten, weil jeder sein Werk voranbringen wolle und trotzdem Wege finden müss,e sein Gegenüber zu unterstützen. Dazu gehöre Geduld und Sensibilität. Es ginge immer auch darum, im Austausch zu bleiben und eine offene Kommunikation zu pflegen.

Kommunikation und Transparenz

Das aktuell bei der Galerie Krupic und Kersting in Köln vertretene deutsch-belgische Künstlerduo Irena Eden und Stijn Lernout (Jahrgang 1974 und 1972) arbeitet äußerst vielseitig und verwendet unterschiedlichste Medien wie Zeichnung, Fotografie, Skulptur und Malerei bis hin zur Installation. Sie bezeichnen sich ganz bewusst als „Künstlerduo“, das von der Recherche bis zum fertigen Werk ununterbrochen gemeinsam arbeitet. Kennengelernt haben sie sich während ihres Studiums und sind seitdem räumlich wie künstlerisch untrennbar. Auch wenn jeder von den beiden einen jeweils eigenen Zugang zum Werk hat, haben sie nie mehr ein Ergebnis voneinander getrennt. Jede Ausstellung und jede Arbeit ist eine „duale Autorenschaft“, was auch bedeutet, dass sie ihre oftmals raumgreifenden Werke immer gemeinsam signieren. Eine ihre Stärken für eine derart enge Zusammenarbeit resultiert wohl auch aus dem Umstand, dass Irena einen eher konzeptionellen Ansatz hat, während Stijn aus der Bildhauerei kommt. So ergänzen sie sich und können in ihrer prozesshaften Arbeitsweise schnell und offen kommunizieren, einander verstehen und respektieren. Vor allem ihre Bildwerke lassen diese gegenseitige Offenheit und Akzeptanz besonders sichtbar werden: die geometrischen Anordnungen wirken fast kristallartig und transparent, legen Details und tieferliegende Schichten frei und verbinden sich doch zu einer Einheit.


Offene Kommunikation ist auch für das Künstlerpaar Sascha und Ingo Maas (Jahrgang 1958 und 1961) von essentieller Bedeutung. Beide kommen aus der freien Malerei und der Zeichnung und legen ihren gemeinsamen Werken keine klar abgegrenzte Arbeitsteilung zugrunde. Auch diese Künstler signieren ihre Arbeiten zusammen und beanspruchen eine gemeinsame Autorenschaft, die von der Motivsuche über das Werk bis hin zur Ausstellungskonzeption reicht. Bei der Entstehung ihrer Werke überarbeiten sie in einem sich mehrfach abwechselnden Vorgang das zwischenzeitliche Resultat des jeweils anderen. Schicht um Schicht werden so Motive und Details verändert, abgetragen und übermalt oder überzeichnet, bis beide sich schließlich auf ein Ergebnis einigen können. Schraffierte und strukturierte Lasuren ergänzen sich mit gezeichneten Elementen, wobei mal das eine, mal das andere stärker zum Vorschein tritt. Ihre Natur- und Tierdarstellungen erhalten durch diesen im stetigen Austausch verlaufenden Arbeitsprozess einen besonders intensiven Ausdruck und die diskursive und zeitliche Komponente wird so zu einem immanenten Bestandteil des jeweiligen Bildes. Spuren der vielfachen Arbeitsschritte sind im fertiggestellten Bild konserviert und die besonders durchgearbeiteten Details werden umso stärker sichtbar. Die inhaltliche und konzeptionelle Zusammenarbeit des Künstlerpaares, die geprägt ist von Widerstreit und Harmonie, spiegelt die künstlerische Auseinandersetzung mit der Naturwelt wider: Schönheit, Vergänglichkeit, Überlebenskampf und Verlust sind sowohl Konstanten in Flora und Fauna als auch wesentliche Aspekte des gemeinschaftlichen künstlerischen Schaffensprozesses.

Diese so unterschiedichen Beispiele zeigen, dass zwei Künstler innerhalb einer Beziehung gleichwertig nebeneinander existieren und gemeinsam ein Werk schaffen können. Die Idee der Partnerschaft und künstlerischen Kollaboration kann gelingen, wenn Kommunikation, gegenseitige Akzeptanz und Respekt neben der noch so unterschiedlichen künstlerischen Kreativität und Energie eine verlässliche Grundlage bilden.

Weiterführende Informationen:
Berger, Renate (Hrsg.): Liebe Macht Kunst. Künstlerpaare im 20. Jahrhundert, Böhlau Verlag, Köln 2000.
Ausstellung „Modern Couples. Art, Intimacy and the Avantgarde“, London, Barbican, 10.10.2018-27.1.2019
Zu Irena Eden & Stijn Lernout: Krupic und Kersting Galerie, Köln
Zu Sascha & Ingo Maas: Ausstellung „Wildlife“, Artium Kunstsalon, Bad Honnef, 20.9.-24.11.2018

Autorin: Michaela Warnke M.A.

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